Da in jüngerer Zeit immer mehr Bürger und Bürgerinnen unseres Landes sich entscheiden Ihren verstorbenen Leib verbrennen zu lassen, möchte ich hier einen Text anführen, der versucht den christlichen Sinn der Erdbestattung auszudrücken. Er stammt von Pfarrer Mag. Christoph Haider aus Oberhofen im Inntal.
Die katholische Kirche empfiehlt ihren Mitgliedern die Erdbestattung als bevorzugte Form der Beisetzung. Sie beruft sich dabei auf älteste christliche Tradition, die im Begräbnis Jesu ihr Vorbild hat. Der Evangelist Matthäus berichtet: „Gegen Abend kam ein reicher Mann aus Arimathäa namens Josef; auch er war ein Jünger Jesu. Er ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Da befahl Pilatus, ihm den Leichnam zu überlassen. Josef nahm den Leichnam und hüllte ihn in ein reines Leinentuch. Dann legte er ihn in ein neues Grab, das er für sich selbst in einen Felsen hatte hauen lassen“ (Mt 27,57–60). Ausgehend von der Grablegung Jesu und aufbauend auf die gesamte biblische Überlieferung war die Erdbestattung das bleibende Kennzeichen des christlichen Totenkultes bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Da dies allmählich in Vergessenheit gerät, veröffentlichte die Glaubenskongregation in Rom am 15. August 2016 ein wertvolles Schreiben, das den Bezug zwischen der Auferstehung Jesu und dem Glauben an unsere eigene Auferweckung in Erinnerung ruft: „Im Gedenken an den Tod, das Begräbnis und die Auferstehung des Herrn … ist die Beerdigung die angemessenste Form, um den Glauben und die Hoffnung auf die leibliche Auferstehung zum Ausdruck zu bringen“ (Ad resurgendum cum Christo, Artikel 3).
Natürlich ist Gott nicht an die sterblichen Überreste eines Verstorbenen gebunden, um die Auferweckung am Jüngsten Tag zu bewirken. Aber von unserer Seite aus kann die Erdbestattung ein schönes Zeichen sein, mit dem wir den Glauben an die „Auferstehung des Fleisches“ bekräftigen. Es ist so etwas wie ein letzter Schritt der Nachfolge Jesu, wenn wir unseren Leib wie den seinen in ein Grab legen lassen in der Hoffnung auf unsere Auferweckung durch Gott.
Dagegen gibt es einen ernstzunehmenden Einwand: Trotz aller christlichen Hoffnung auf die Auferstehung geht der Leib offensichtlich zugrunde. Am Ende bleibt nichts anderes übrig als Erde oder Asche. Dazu empfinden viele Menschen den Vorgang des Zerfalls bei der Erdbestattung als unhygienisch und unökologisch.
Es stimmt: der Leib zerfällt. Aber so nimmt er auch teil am geheimnishaften und staunenswerten Weg des Weizenkorns, den Christus verkündet hat: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“ (Joh 12,24). Das Korn fällt in die Erde und löst sich auf. Während es zerfällt, ersteht es zu neuem Leben. Die Erdbestattung im christlichen Sinn will dieses Geheimnis ausdrücken: Das Grab soll ein Ort der Verwandlung sein.
Im christlichen Altertum begegnet uns eine Bezeichnung für die Begräbnisstätten der Christen, die sich von der sonst üblichen Namensgebung abhebt. Sie wurden „Coemeterien“ genannt. Diesem Ausdruck liegt das griechische Verb „koimao“ zugrunde, das „schlafen, ruhen“ bedeutet. Hinter dieser Bezeichnung steht der gläubige Gedanke: Wer schläft, steht auch wieder auf (vgl. Joh 11,11). Eine alte griechische Inschrift aus Thessalonich spricht ausdrücklich vom „koimeterion heos anastaseos“, was so viel bedeutet wie „Ruhestätte bis zur Auferstehung“. Im heutigen deutschen Wort „Friedhof“ oder in der typisch christlichen Grabinschrift „Hier ruht in Frieden“ schwingt der Gedanke an das Ruhen des Leibes – im Gegensatz zu einem endgültigen Zugrundegehen – noch immer mit: Nicht nur die Seele soll bei Gott im Himmel ruhen. Auch der Leib möge ruhen, um am Jüngsten Tag in ganz neuer Weise aufgeweckt zu werden.
Wie wird der Auferstehungsleib aussehen? Die Antwort dürfen wir Gottes Macht und Liebe überlassen, die unsere Vorstellungskraft übersteigen. Der Apostel Paulus gab den Christen in Korinth allerdings ein paar Hinweise. Dabei argumentierte er mit dem, was zeichenhaft mit dem toten Leib in der Erde geschieht. So wie Jesus spricht auch er vom Weizenkorn: „Was du säst, ist noch nicht der Leib, der entstehen wird; es ist nur ein nacktes Samenkorn, zum Beispiel ein Weizenkorn oder ein anderes. Gott gibt ihm den Leib, den er vorgesehen hat, und zwar jedem Samen einen eigenen Leib“ (1 Kor 15,37–38). Paulus fährt fort: „So ist es auch mit der Auferstehung der Toten. Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib“ (1 Kor 15,42–44).
Es gibt bei uns den Brauch, dass bei Begräbnissen alle Anwesenden ein paar Tropfen Weihwasser auf das Grab sprengen. Das ist ein schönes Glaubensritual: Mit demselben Wasser, durch das wir in der Taufe „das Siegel des ewigen Lebens“ (hl. Irenäus) empfangen haben, soll der Leib „begossen“ werden. In der Erde möge er sich durch die Hand Gottes zu öffnen beginnen. Nach der Zeit der „Ruhe“ soll er sich am Jüngsten Tag in jener neuen Gestalt aus dem Grab erheben, die Gott für ihn vorgesehen hat.